Orts- & Hofgeschichte

Die Geschichte des Schießl-Hofs

Die Familien Schießl, Winkler und Ruhland
Briefprotokoll des Marktes Neukirchen-Balbini aus dem Jahre 1712 zur Übergabe des Hofs von Bürgermeister Hanns Georg Schießl an seinen Sohn Jacob Schießl. (Quelle: Staatsarchiv Amberg)

Der Schießl-Hof befand sich mindestens seit 1712 im Besitz der Familie Schießl. Johann Georg (bis 1712), Jacob (bis 1747) und Daniel Schießl (bis 1792) waren Bauern und übten auch das Amt des Bürgermeisters in Neukirchen-Balbini aus.

1792 übernahm der Neffe Paul Winkler aus Etzmannsried das Anwesen. Es folgten 1821–1854 Franz Winkler (verheiratet mit Anna Maria Mayer aus Fuhrn) und 1854–1882 Johann Winkler (verheiratet mit Catharina Brandl aus Haslarn).

1882 erhielt die Tochter Anna Maria Winkler den Hof, welche 1885 Stephan Ruhland aus Rackelsdorf heiratete. Nach dessen Tod bewirtschaftete die Witwe von 1912 bis 1930 das Anwesen. 1930 übergab sie den Besitz an den Sohn Johann Ruhland (1900–1995).

1930 heiratete dieser Barbara Winkler (1902–1943) aus Großenzenried; aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor: Maria (1932–2010) und Anna Katharina (1940–2016). 1946 trat Johann Ruhland mit Maria Plößl (1912–1999) zum zweiten Mal vor den Traualtar. Das Paar bekam in der Folge drei Söhne: Johann Baptist (1946–1947), Peter (1948–2015) und Karl (1951–1957). Karl ertrank 1957 in einer Jauchegrube im Hof des Anwesens.

1970/71 siedelte Johann Ruhland den landwirtschaftlichen Betrieb an den Ortsrand aus; 1972 übergab er ihn an den Sohn Peter. Johann und Maria Ruhland lebten weiter im Schießl-Hof im Austrag. Der ledige Peter Ruhland erbte nach dem Tod der Mutter 1999 den Schießl-Hof, der seitdem leerstand.

Im Oktober 2014 verkaufte er den ruinösen Hof an die Marktgemeinde.


Zur Baugeschichte

Das Wohngebäude ist ein rechteckiges, eingeschossiges Wohnstallhaus mit Krüppelwalmdach in traditioneller Massivbauweise. Im Dachgeschoss ist ein Raum ausgebaut (mit Lehm bzw. Lehmziegel ausgeführte Bohlenstube zum Teil als Fachwerk abgetrennt). Das Haus besitzt ein Satteldach mit einem Spitzboden im Dachgeschoss (Pfettendachstuhl). Es sind zwei alte Schornsteine vorhanden. Das Gebäude ist teilweise unterkellert. In dem mittelalterlichen Gewölbekeller befindet sich ein Brunnen. Von diesem Gewölbekeller zweigt ein Erdstall ab. Bis 2019 besaß das Wohngebäude kein Bad und kein WC. Zum Anwesen gehören weiterhin ein 1872 errichteter Anbau (ehemaliger Schaf- und Pferdestall) mit darüberliegendem Zimmer (seit 1952), ein Gewölbestall aus dem Jahre 1872 sowie ein Stadel aus dem Jahre 1841 mit einem alten Bierkeller. Das Aborthäuschen befand sich im Hof bei der Jauchegrube. Es waren zwei Öfen in der Küche und in der Wohnstube vorhanden. Im Haus gab es zwei Kaltwasseranschlüsse.

Nachweislich dreimal wurde der Schießl-Hof von Bränden eingeäschert: 1779, 1797 und 1841. Nach dem letzten Brand wurde der Neubau etwas versetzt zum bisherigen Gebäude errichtet. Im Stadel ist an einem Balken heute noch die Bauinschrift F1841W (Abkürzung von Franz Winkler) erkennbar. 1872 wurde der Stall neu gebaut; im Türsturz ist die Inschrift 18JW72 (Abkürzung von Johann Winkler) lesbar. Von drei weiteren baulichen Veränderungen sind noch Pläne im Staatsarchiv Amberg erhalten: 1880 wurde das Wohnzimmer eingebaut, 1939 wurde der Kniestock über Stall und Schupfe aufgebaut, und 1952 wurde der Pferdestall vergrößert und darüber ein Zimmer eingebaut. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nur geringe Ausstattungsverbesserungen vorgenommen. Es wurden Holzverbundfenster mit Fensterbänken eingebaut; Anfang der 1960er-Jahre wurden die Innentüren teilweise erneuert und der Innenflur mit Terrazzoplatten belegt.

Braurecht

Auf dem Schießl-Hof lag das kommunale Braurecht. Die Brauberechtigten konnten ihr Bier im Kommunbrauhaus (heute Musikheim) brauen lassen. Im Kataster über die Bürger des Marktes Neukirchen-Balbini, welche ihr Brau- und Schankrecht ausüben, heißt es 1842: „Ökonomiebürger Franz Winkler: ein Wohnund Zechzimmer mit vier Fenstern, 20 ½ʼ (Schuh) lang, 20ʼ breit, 8ʼ hoch, daneben ein Speiskammerl 11 ½ʼ lang, 11 ½ʼ breit, 7ʼ hoch; besitzt 36 Eimern an Fässern, sind beim vorjährigen Brande zugrunde gegangen. Im Hause ein Ökonomiekeller 15 lang, 10 ½ breit, 7 hoch; daneben ein Schenkkeller worin sich auch Erdäpfelbestände befinden 19 ½ lang, 15 breit, 7 ½ hoch. Unter dem Stadel: ein Vor- und Gärkeller 10ʼ lang, 14ʼ breit, 8 ½ʼ hoch; daneben ein Bierkeller 25ʼ lang, 14ʼ breit, 8ʼ hoch.“

Baufälligkeit und Rettung des Anwesens

2003 stellte Peter Ruhland einen Antrag auf Abbruch des baufälligen Wohnhauses. Einstimmig billigte der Marktgemeinderat in seiner Sitzung am 12. Januar 2004 diesen Antrag unter der Maßgabe, dass ein in das Ortsbild passender adäquater Ersatzbau errichtet wird. Dem schloss sich im Oktober 2004 auch das Landratsamt an, zudem müsse der Gewölbekeller mit Erdstall sowie der Stall mit seinem böhmischen Gewölbe erhalten bleiben. Das Vorhaben verlief dann im Sande. 2010 regte Ortsheimatpfleger Karl-Heinz Probst im Arbeitskreis „Ortsbild und Landschaft, ländliche Entwicklung“ an, dass der Markt versuchen solle, das seit 1999 leerstehende Schießl-Anwesen anzukaufen und es für kulturelle Zwecke (Museum, Gemeindearchiv etc.) zu nutzen. Der Gemeinderat begrüßte diesen Vorschlag. Im Oktober 2014 hat der Markt das unter Denkmalschutz stehende Haus, die drei Nebengebäude sowie den Grund für 50 000 Euro erworben. Umfangreiche und zum Teil auch schwierige Gespräche und Verhandlungen zur Revitalisierung des Anwesens hinsichtlich des Nutzungskonzepts und der Förderung begannen.

Finanzierung

Die Instandsetzung und der Umbau des Anwesens in ein Erdstallforschungszentrum wurden von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Freistaat Bayern kofinanziert. Die Maßnahme mit einem Kostenvolumen von rund drei Millionen Euro dient der nachhaltigen Entwicklung des funktionalen Raums. Weitere Fördergeber sind darüber hinaus der Entschädigungsfonds zur Förderung denkmalpflegerischer Maßnahmen, die Bayerische Landesstiftung, der Bezirk Oberpfalz und der Landkreis Schwandorf. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2017. Im Herbst 2019 wurde der Schießl-Hof–Erdstallforschungszentrum mit archäologischer Dokumentation eröffnet.

Chronik des Marktes Neukirchen-Balbini

12. Jahrhundert

1138, 11. Dezember:
Erste Erwähnung des Ortes in einer Urkunde des Klosters Prüfening, in der es Bischof Otto von Bamberg mit Gütern aus der Region ausstattet

13. Jahrhundert
Paldwinus, plebanus in Nivnkirchen, bezeugt 1297 in einer Urkunde eine Schenkung. Auf diesen Pfarrer Paldwinus (= Palwinus, Poldwin) geht der Ortsnamenzusatz "Balbini" zurück (Spitalarchiv Regensburg).

1280:
Bischof Heinrich von Regensburg bestätigt dem Kloster Prüfening den Besitz des großen und kleinen Zehents über die Kirche in Neukirchen

1297:
Paldwinus, plebanus in Nivnkirchen, bezeugt in einer Urkunde eine Schenkung von Konrad und Rimboto von Schwarzenburg zugunsten des St. Katharinenspitals in Regensburg


14. Jahrhundert

1303:
Der plebanus Palwinus und die Neukirchner Bürger Otto de Durne, Heinricus filius Tyroldi und Uscalcus sind als Zeugen in einer Urkunde genannt

1317:
Pfarrer Poldwin als Zeuge in zwei Urkunden über den Verkauf eines Hofes in Grassersdorf durch Chunrat und Seifrid von Schwarzenburg an das Kloster Schönthal bzw. die Übertragung von Rechten durch Ulreich von Schwarzenburg an die Kloster Prüfening, Ensdorf und Schönthal

1337:
Pfarrer Gotfried von Nevnchirchen als Zeuge in einer Urkunde des Klosters Ensdorf

1345:
Neukirchen-Balbini gehörte mindestens seit Ende des 13. Jahrhunderts zum Besitz der Schwarzenburger. Am 19. Juni 1345 verkauft Ulrich der Satzenhofer Neukirchen mit Burg und Markt Bruck, die er von seinem Schwager Reimar von Schwarzenburg geerbt hatte, an die Pfalzgrafen Ruprecht I. und Ruprecht II.

1380:
Newnkirchen wird urkundlich erstmals mit den Namenszusatz Palwini erwähnt

1399:
Die Kirche in Neukirchen-Balbini gehört ab sofort zur Propstei Prüfening

15. Jahrhundert

1433:
In der Schlacht von Hiltersried kämpfte ein oberpfälzisches Heer gegen die Hussiten. Die Fußknechte Ulrich Jebhart, Friderich Heschel, Andre Schleinhauff und Hans Zuckel aus Neukirchen erliegen in der Folge ihren Verletzungen

1449, 19. November:
Verleihung eines Wappens an den Markt Neukirchen-Balbini durch Pfalzgraf Otto I. von Mosbach

1467:
Pfalzgraf Otto II. von Mosbach bestätigt die Privilegien des Marktes Neukirchen-Balbini

16. Jahrhundert

1552:
Der erste evangelische Pfarrer nach dem Konfessionswechsel ist Leonhard Heinel (bis 1577)

1582:
Mit Erhart Bernhöfer und Georg Graff sind erstmals Bürgermeister und mit Constantinus Vitus Scherl ein Schulmeister für den Markt belegt

17. Jahrhundert

1618 – 1648:
Dreißigjähriger Krieg. Der Markt verlor während des Krieges 40 % des Rinderbestandes, 43 % der Häuser waren öd und ruiniert.

1626/27:
Christoph Thomas Kienner ist im Zuge der Gegenreformation der erste katholische Schulmeister; zugleich hat er das Amt des Marktschreibers inne

1627 – 1629:
Nach der Vertreibung der protestantischen Pfarrer übernehmen Jesuiten die Seelsorge; sie wohnen bei Bürgermeister Christoph Rotfischer

1634:
Brand, von kaiserlichen Soldaten gelegt, äschert den Markt zu zwei Dritteln ein

1641, 17. März:
Der schwedische Oberst Erich Slange trifft auf eine Vorhut des kaiserlichen Generalwachtmeisters Kaspar von Mercy und wird mit seinen Truppen nach Neunburg zurückgeworfen. Über 600 Wagen, alle Handpferde und die Frauen der Offiziere fielen in die Hand der Kaiserlichen.
19. März: Erzherzog Leopold Wilhelm nimmt Hauptquartier im Markt; die Soldaten des Kaisers brennen den Ort bis auf sieben Häuser nieder

1648:
Plünderung des Marktes durch kaiserliche Soldaten Mitte des 17. Jahrhunderts: Eröffnung einer Poststation unter Erbgeneralpostmeister Graf Lamoral Claudius von Taxis

1670:
Kurfürst Ferdinand Maria gewährt einen dritten Jahrmarkt

1671:
Kurfürst Ferdinand Maria bestätigt den Bierzwang für die Stadt Neunburg. Den Wirten war es bei Strafe verboten, anderes als einheimisches Bier auszuschenken. Die Märkte Schwarzhofen und Neukirchen-Balbini legen dagegen energisch Klage ein.

18. Jahrhundert

1703:
Brand (u. a. Rathaus)

1718:
Neubau der Pfarrkirche

1779, 17. April:
Brand (66 Häuser)

1797, 26. Februar:
Brand (5 Häuser und 7 Stadel); das Feuer brach aus Nachlässigkeit im Anwesen des Schuhmachers Johann Preunl aus

19. Jahrhundert

1808, 12. Oktober:
Am Namensfest des Königs trafen sich in Neunburg die Bürgermilizen von Neunburg, Schönsee, Oberviechtach, Winklarn, Schwarzhofen und Neukirchen-Balbini, um auf dem Anger vor dem Landrichter Wieland den Eid auf den König abzulegen

1816, 16. Mai:
Verkauf der gemeindeeigenen Weiher (u. a. Bürgerweiher) um 500 Gulden an den Fleischhacker Stephan Fischer

1829, 19. September:
Verkauf des Rathauses an den Hutmacher Georg Strasser um 373 Gulden

1841, 18. Juni:
Brand (9 Häuser und 17 Nebengebäude); das Feuer brach im Stadel des Ökonomen Franz Winkler aus

1843, 17. November:
Brand (7 Häuser); das Feuer brach im Stadel des Bäckers Johann Schart aus

1845:
Bau des Pfarrhofes

1860:
Errichtung des Brunnens am Marktplatz und einer Wasserleitung

1861, 7. Januar:
Eröffnung der Bahnlinie Schwandorf–Cham

1876, 13. August:
Gründung der Freiwilligen Feuerwehr

1896, 1. Mai:
Eröffnung der Eisenbahn-Haltestelle bei Neukirchen-Balbini

20. Jahrhundert

1905:
Bau einer neuen Wasserleitung

1912, 27. März:
Gründung der Raiffeisenbank Neukirchen-Balbini als Spar- und Darlehenskassenverein

1922, 20. August:
Einweihung des Kriegerdenkmals am Marktplatz

1937:
Abbruch des seit dem Ersten Weltkrieges ruinösen Kommunbrauhauses

1945, 23. April:
Besetzung durch US-amerikanisches Militär

1945, 3. Mai:
Beerdigung von Opfern des KZ-Todesmarsches in einem Massengrab auf der Drexler-Wiese beim Poststadel

1950, 7. September:
Brand am Marktplatz.

1955:
Einweihung des neuen Raiffeisenbank-Gebäudes am Marktplatz

1957, 19. Juli:
Einweihung des neuen Kindergartens; Betreuung durch Missionsdominikanerinnen aus Strahlfeld

1960, Oktober:
Die Sparkasse eröffnet eine Zweigstelle

1961:
Auflösung der Landpolizeistation

1963/64:
Die Gemeinde erwirbt den Burger- und den Zengerweiher und füllt sie auf

1966, 20. Januar:
Einweihung der neuen Volksschule

1972, 1. Januar:
Gebietsreform

1973:
Volksschule wird zur Grundschule abgestuft

1978, 1. Mai:
Abschluss der Gebietsreform

1980, August:
Missionsdominikanerinnen geben Leitung des Kindergartens ab

1982, 8. August:
Weihe des neuen Fußballplatzes und des neuen Vereinsheimes der Spielvereinigung Neukirchen-Balbini e. V.

1984, 3. Juni:
Stilllegung der Bahnstation Neukirchen-Balbini

1990 – 1999:
Durchführung der Dorferneuerung

1991:
Einweihung des neuen Feuerwehrgerätehauses

21. Jahrhundert

2000:
Goldmedaille im Bezirksentscheid „Unser Dorf soll schöner werden“

2009:
Sieg im Landkreis-Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune“ in der Kategorie A (bis 2000 Einwohner)

2009, November:
Schließung der Postagentur

2017:
Schließung der Filiale der Raiffeisenbank

2019:
Einweihung des Erdstall-Forschungszentrum mit archäologischer Dokumentation am Schießl-Hof

Chronik: Karl-Heinz Probst